Erstellt am: 20.04.2014 22:30
Von: Dieter Eisenhardt, Dekan i.R. Backnang


Ganz Mensch sein

Ich brauche einen Gott, der sterben kann - Gedanken zum Karfreitag


Ich kann es nicht. Bei jeder Beerdigung erlebe ich das schmerzlich. Ich will denen nahe sein, die Abschied nehmen müssen. Ich kann versuchen ein paar Schritte mitzugehen, wenn ein Mensch ans Ende kommt.

Ich weiß, dass dann, wenn meine Todesstunde kommt, ich mein Wissen und Können, auch meine Glaubenserfahrungen loslassen muss. Die Bibel redet, wenn sie vom Sterben spricht, von einem letzten Ausgezogen werden und mit dem Apostel Paulus sage ich: „Wir wollen lieber nicht entkleidet werden“.

Ich sehne mich nach einem Gott, der sterben kann. Einer, der da ist, wenn ich immer weniger da bin, wenn mein Denken, Wissen und Glauben immer tiefer im dunklen Grauschleier der Demenz verschwindet.

Deshalb brauche ich einen Gott, der am eigenen Leib erlitten hat, wie das ist, wenn mich die Angstträume in der Nacht überfallen, wenn mir die Gedanken vergehen, wie ein Licht, und wenn ich dann am Ende ganz allein durch die letzte Tür gehen muss.

Ich brauche den Gott, der sterben kann, der das Geheimnis des Todes mit all seinem Dunkel so erlebt, dass er den Tod in sein Leben holt. Kann es den geben? Entweder ist Gott, Gott und dann kann er nicht sterben, oder er ist ein Mensch, und dann weiß er, dass er sein Leben im Tod verliert. So sagt mein logisches Denken. Aber, wenn Gott wirklich Gott ist, dann reicht er weiter, als das, was ich denken und sehen, erfahren und glauben kann.

Bei Jesus kommt ans Licht, Gott kann beides: Ganz Mensch sein, mit allem Glück und aller Angst und gerade so, ganz Gott sein in ungebrochener Lebensfülle, gerade dort, wo nur noch der Tod und das Nichts sind.

Heute ist Karsamstag, da geht es um ein neues Grab. Der tote Jesus wird zur Erde bestattet, so wie ich es vor mir habe.

Gestern war Karfreitag, da ging es um das Geheimnis des Todes Jesu. In ihm stirbt Gott, wie der letzte Verbrecher, scheinbar sinnlos, einsam am Kreuz.

Und morgen wird Ostern sein. Das Grab ist leer, der Gekreuzigte kommt uns, als der Auferstandene entgegen. In ihm findet mich der Gott, der ganz sterben kann. Ich vertraue darauf, dass er mich durch seinen Tod ins Leben führt. Darum will ich mich an sein Wort halten: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben“.

Dieter Eisenhardt, Dekan i.R.




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