Erstellt am: 01.09.2014 10:34
Von: Dieter Eisenhardt Dekan i.R. Backnang


Streit in der Kirche

Wie gehen wir in der Kirche mit Konflikten um?


Wie gehen Sie in der Kirche mit Konflikten um?, fragte mich ein kritischer Zeitgenosse. Ich erzählte ihm, wie ich in meiner Arbeit versuche mit schwierigen Situationen leben zu lernen. Hier kommt ein Ausschnitt aus der Andacht, die ich bei meinem Gemeindebesuch in einer zerstrittenen Gemeinde gehalten habe: „Wenn deinen Feind hungert, gib ihm zu essen“. Röm. 12.20. Vermutlich denkt der Apostel Paulus auch an Menschen außerhalb der Kirche, an heidnische Stadtbewohner, die die Christen in Rom damals schikaniert haben. Aber zuerst hat er gewiss die Männer und Frauen im Auge, die in der Gemeinde miteinander Schwierigkeiten haben: Gruppen, die je nach Glaubensstandpunkt ein allzu enges oder allzu weites Christsein praktizierten. „Wenn deinen Feind hungert, gib ihm zu essen“; beim Essen reichen ist mir aufgefallen, dass die Ursprache des Neuen Testamentes da ein interessantes Bild gebraucht. Den Andern speisen heißt: „Brocken für Brocken in den Mund geben“. Das geht nicht aus der Distanz, da muss man zusammenrücken, da muss ich mich dem Andern zuneigen. Eigentlich sollte es in jeder Gemeinde so etwas, wie einen „Runden Tisch“ geben, regelmäßige Zusammenkünfte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Achten wir darauf, dass wir gerade dort, wo wir Spannungen durchzustehen haben, das Brot miteinander teilen. Man geht auch in Konflikten anders miteinander um, wenn man sich in Auseinandersetzungen zusammensetzt, d. h. wenn man einen Tisch hat, an dem man miteinander in die Augen schauen kann. Manchmal geht es bei einem Glas Wein und einer Brezel leichter. In der Mitte unseres Kapitels redet Paulus die Christen in Rom „Ihr Lieben“ an. „Geliebte“ heißt das eigentlich. In allen Ermahnungen und Aufrufen zum christlichen Handeln, erinnert der Apostel an die Barmherzigkeit Gottes. Anschaulich habe ich das vor Augen, wenn ich in mein Arbeitszimmer gehe. Neben der Tür hängt ein Foto. Es zeigt, wie in einem Mosaik, das Antlitz des Gekreuzigten. Betrachtet man es näher, dann entdeckt man, was aus der Ferne wie bunte Steine aussieht, sind lauter Gesichter: helle und dunkle, alte und junge, Männer und Frauen. Alle sind hineingenommen in das Angesicht des großen Schmerzensmannes. Deshalb ist es eine befreiende und froh machende Zumutung für uns: „Wenn deinen Feind hungert, gib ihm zu essen“. Dieter Eisenhardt Dekan i.R.

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