Erstellt am: 17.02.2024 09:43
Von: Pfarrer Dr. Hans Joachim Stein, Murrhardt


Eintreten für Demokratie

Kirche bekennt Farbe


In den letzten Wochen fanden überall in Deutschland Demonstrationen für Demokratie und Vielfalt statt. Hintergrund ist die wachsende Gefahr von rechts. In den Umfragen nicht nur im Osten Deutschlands wächst die Zustimmung zur AfD rasant. Damit einher gehen Ressentiments gegen Migranten und demokratische Institutionen. Dagegen stehen nun Menschen auf. „Nie wieder!“, rufen sie. Nie wieder eine Situation wie 1933, als Hitler auf demokratischem Wege an die Macht kam und dann die Demokratie abschaffte.

Ich finde es gut, dass die schweigende Mehrheit nicht länger schweigt, sondern rausgeht und lautstark Farbe bekennt. Wir haben die Demokratie teuer erkauft und dürfen sie nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Zwei Dinge sind mir als Christ dabei aber wichtig:

Zum einen schließt das Eintreten für Vielfalt und Demokratie die Absage an jegliche Form von Antisemitismus ein. Das ist nicht selbstverständlich. Viele derer, die jetzt laut „Nie wieder!“ rufen, haben nach dem 7. Oktober 2023, als die Hamas in Israel ein Massaker angerichtet hat, geschwiegen. Sie schweigen auch jetzt, da ein jüdischer Student in Berlin zusammengeschlagen wurde. Wer aber eine rechtsextreme Regierung verhindern will, der darf nicht nur gegen Remigration, der muss auch gegen den Judenhass aufstehen.

Zum anderen darf der Gesprächsfaden mit den Gegnern und Skeptikern einer bunten Republik nicht abreißen. Wir müssen Haltung zeigen und dennoch zugewandt bleiben. Vielfalt und Toleranz gelten nicht nur für Gleichgesinnte. Zu meiner Einsetzung als Pfarrer wurde mir folgender Auftrag ans Herz gelegt: „Gib niemanden verloren.“ Dieser Bitte will ich folgen. Ich will Menschen nicht aufgeben, die von Zukunftssorgen und Hass auf die herrschende Politik erfüllt sind. Ich will mit ihnen im Gespräch bleiben.

Lasst uns gemeinsam für Demokratie und Vielfalt eintreten. Nicht nur im Schutze der großen Demonstrationen, sondern auch im persönlichen Gespräch von Angesicht zu Angesicht. Lasst uns dabei auch dem Judenhass wehren und andersdenkende Menschen nicht aburteilen, sondern uns auf sie einlassen und zu verstehen suchen. Nur so bleibt die Demokratie sowohl wehrhaft als auch lebendig.


 

Pfarrer Dr. Hans Joachim Stein, Murrhardt


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