Erstellt am: 14.06.2022 09:35
Von: Carsten Wriedt, Diakon der katholischen Kirche in Backnang


Für wen haltet ihr mich?

Nicht abfragen - Beziehung ist gefragt.


So fragt Jesus nach einem Gespräch über die Meinung der Menschen seine Jünger. Wir dürfen diese Frage auch ganz persönlich hören: „Du aber, für wen hältst Du mich?“ Wie wäre es, dass Jesus vor ihnen steht und genau so fragt. Kann gut sein, dass wir ins Stottern kommen, dass uns die Worte fehlen, dass wir spüren: Weiß ich eigentlich, wer Jesus ist? Wer Jesus für mich ist? Möglicherweise können wir antworten, was wir im Religions- der Erstkommunionunterricht mal gelernt haben. Vielleicht wird uns auch bewusst, trotz einer Bindung an Glauben und Kirche: So persönlich habe ich das noch nie gesehen. Ich habe immer gedacht, andere erklären mir das, kluge Theologen, hochrangige geweihte Häupter können das viel besser aussprechen.

Aber Jesus fragt seine Jünger gerade nicht, um „abzufragen“, was aus dem Katechismusunterricht hängengeblieben ist. Er will keine standardisierten Antworten, die er selbst „nachlesen“ kann oder heute im Internet abrufen würde. Jesus sucht die ganz intime Beziehung. Er hat uns zu Kindern Gottes gemacht, zu seinen Geschwistern. Da sucht er nicht die ehrfürchtige Beweihräucherung, will nichts hören von einem Sockel, auf den er als Denkmal gestellt – abgestellt – wird. In unserer Antwort möchte er hören, dass wir sein „Brudersein“ annehmen. Damals antwortete Petrus völlig korrekt: Du bist der Christus Gottes (Lukas 9,20). Auf diese Antwort hin kann Jesus seine Jünger auf die bevorstehende Leidens- und Sterbesituation vorbereiten.

Heute können wir die Frage im Wissen und Glauben seines Todes und seiner Auferstehung angehen. Und: Was antworten sie? Wie nahe, wie persönlich kommt Jesus in ihrem Leben vor? Oder würden sie, in guter jüdischer Gelehrtentradition, mit einer Gegenfrage antworten?

Im 1. Petrusbrief (Kapitel 3, Vers 15) heißt es: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt.“ Diese Bereitschaft ist nicht einfach, aber man kann ja mal im Gespräch mit einem guten Bekannten ausprobieren: „Und … für wen hältst du mich?“ Dann erkunden wir das Geheimnis der Liebe Jesu. Könnte sein, dass Worte das nicht fassen können.

Carsten Wriedt, Diakon der katholischen Kirche in Backnang