Erstellt am: 23.12.2020 09:36
Von: Dekan Wilfried Braun, Backnang


Dieses Jahr ist alles anders

Ein Wort von Dekan Braun zum diesjährigen Weihnachtsfest unter Corona-Bedingungen, über Hoffnungszeichen aus der Weihnachtsgeschichte und zum Gottesdienst an Heilig Abend.


Aus dem frisch renovierten Gräser-Chorfenster der Stiftskirche Backnang

Liebe Leserin, lieber Leser,

zu Weihnachten kommt alles anders. In wie vielen Jahren sind ungezählte Menschen mit diesem inneren Wunsch auf die letzten Tage des Jahres zugegangen. Und wie mancher hat insgeheim gehofft, dass sich dieses oder jenes Minus, das sich in den vorangegangenen 357 Tagen auf dem Lebenskonto angesammelt hatte, doch noch in ein Plus verwandeln könnte. Dass das mit der Geschichte von dem neugeborenen Kind im Stall irgendwie zu tun haben würde, schienen viele zu ahnen, wenn sie an diesem einen Tag zu Tausenden in die Kirchen strömten.
Dieses Jahr ist nun alles anders. Allerdings so, wie wir es uns überhaupt nicht gewünscht hatten. Ein kleines Virus hat uns ins Mark erschüttert und gerade umgekehrt so manches Plus ins Minus verkehrt. Äußere Nähe wurde vom Hoffnungs- zum Gefahrenzeichen, Händedruck und Umarmung aus unserem Alltag weitgehend verbannt, Besuche und Kontakte auf ein Minimum zurückgefahren.
Dieses Jahr wird es nicht richtig Weihnachten, so sagen viele. Wir dürfen nicht mit so vielen Menschen feiern wie sonst. Es gibt keine Weihnachtsmärkte und keinen Glühwein. Man kann nicht so ungestört Geschenke kaufen. Man muss eine Maske tragen. Und immer noch sind die Infektionszahlen nicht deutlich zurückgegangen. Was aber ist „richtig Weihnachten“? Die Bibel sagt uns: Ein Arme-Leute-Kind in einem Futtertrog. Und dass dieses Ereignis von vor 2020 Jahren Heil und Rettung für die ganze Welt bedeutet. Weil in ihm Gott zur Welt kommt. Und zwar nicht so, wie viele es erwartet hatten, mit Macht und Vergeltung, sondern als schutzbedürftiges Kind, als heilender und schützender Mensch, durch den alle erfahren sollen: Gottes Nähe tut gut.
Und heute? Können wir Gottes Nähe erfahren, wenn wir einen Bogen umeinander machen müssen? Können wir froh werden, auch wenn die Umstände bedrückend sind? Wir spüren: Das lässt sich nicht einfach machen. Auch in welchen Zeichen die Nähe Gottes menschenfreundlich erfahrbar ist, ist nicht von vornherein klar. Allein schon in der Frage des Gottesdienstes kommen Menschen und Gemeinden zu ganz unterschiedlichen Einschätzungen. In der gegenwärtigen Corona-Lage sagen einige: Der zeitweilige Verzicht auf Gottesdienste mit persönlicher Anwesenheit ist das beste Zeichen, auch an Heiligabend.
Vielen anderen ist aber wichtig, dass wir das verfassungsmäßig garantierte Recht auf freie Religionsausübung nicht ungenutzt lassen, mehr noch, dass wir gerade durch Gottesdienste mit persönlicher Anwesenheit – selbstverständlich unter genauer Beachtung der kirchlichen und ortspolizeilichen Sicherheitsvorgaben - Hoffnungszeichen setzen und die Frohe Botschaft auch Menschen erreicht, die nicht neueste technische Möglichkeiten nutzen können.
So wird es vielerorts verschiedene Wege geben, über die Weihnachtsfeiertage und danach am gottesdienstlichen Leben teilzuhaben. Besonders hinweisen möchte ich auf die Möglichkeit, an Heiligabend ab 16 Uhr den Online-Gottesdienst des Kirchenbezirks, der aus der Murrhardter Stadtkirche kommt, mitzufeiern. Er ist über die Homepage des Evangelischen Kirchenbezirks Backnang  zugänglich (www.kirchenbezirk-backnang.de). Weihnachten kommt alles anders. Neulich erinnerte mich eine ältere Dame an meine Pfarrerspflichten: „Beten Sie doch in den Gottesdiensten noch deutlicher für ein Ende der Pandemie“. Vielleicht können wir das ja gemeinsam tun – wenn auch an unterschiedlichen Orten und auf unterschiedliche Weise und uns dabei auch daran erinnern, dass Jesus von Nazareth, dessen Geburt wir an Weihnachten feiern, uns ermutigt hat: Bittet, so wird euch gegeben! (Matthäus 7,7)
Herzlich grüßt Sie mit guten Wünschen für gesegnete Festtage
Ihr Dekan Wilfried Braun