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Bachs Weihnachtswunder

"Bei Gott hat seine Stelle das menschliche Geschlecht"

In der ARD-Mediathek ist über Weihnachten ein berührender Film abrufbar mit dem Titel „Bach – ein Weihnachtswunder“. Darin werden die letzten Tage im Haus des Leipziger Thomaskantors vor der Uraufführung seines berühmten Weihnachtsoratoriums im Jahr 1734 geschildert. Der Film zeigt die Genialität des Kantors, aber auch, wie er sich mit den Eitelkeiten von Pfarrern und städtischen Beamten herumschlagen muss. Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium wurde zu einem Glanzpunkt seines Schaffens. Für viele Menschen gehört der Besuch des Weihnachtsoratoriums zum adventlichen Pflichtprogramm. Aber ob wir wirklich verstehen, welche unfassbare Größe uns in diesem Werk begegnet? Hinter der Komposition verbirgt sich ein für Menschen kaum fassbares System von Tonsprache, Symmetrie und Zahlensymbolik. Bach hat alles genau „nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet“ (Weisheit 11,20), um sein Werk schöpfungsentsprechend zu gestalten. Ihm ging es nicht um menschliches Wohlgefallen, sondern um Gottes Ehre, denn kein Mensch kann diese Komplexität begreifen außer der Schöpfer selbst. Ein Architekt hat einmal die mathematische Struktur des Weihnachtsoratoriums in einen Bauplan übersetzt. Herausgekommen ist dabei eine barocke Kathedrale in deren Mitte die zentrale Aussage von Weihnachten steht: Gott erniedrigt sich selbst, damit wir Menschen erhöht werden. Bach redet in diesem Werk nicht nur als Musiker, sondern als Prediger des Evangeliums. Er erzählt und erklärt uns die Weihnachtsgeschichte. Vor allem aber trägt er Christus in unsere Herzen hinein, damit wir Hoffnung und Trost gewinnen. Im letzten Satz, der im Weihnachtsoratorium gesungen wird, fasst Bach das Weihnachtsgeschehen triumphierend mit Pauken und Trompeten zusammen: „Bei Gott hat seine Stelle das menschliche Geschlecht“. In dem ARD-Film wird gezeigt, in welch großer Trauer die schwangere Ehefrau Anna-Magdalena Bach sich damals befunden hat. Immer wieder geht sie schwermütig auf den Friedhof und weint über ihre bereits verstorbenen sieben Kinder. Wird sie das Kind, das sie jetzt unter ihrem Herzen trägt, behalten dürfen? Anna Magdalena und auch wir dürfen die eigentliche Botschaft von Weihnachten erfahren: Du bist nicht allein. Die Ängstlichen bekommen Hoffnung und Gewissheit. Es gibt mehr, als wir sehen. Über alles Sterben hinweg sind wir mit dem Höchsten verbunden, denn „bei Gott hat seine Stelle das menschliche Geschlecht“. Das gilt auch an Weihnachten 2024. Oft will uns Resignation überfallen. Ich wünsche uns ein Christfest, in dem das Licht der Hoffnung triumphiert.

 

Dekan Rainer Köpf, Backnang