Luft holen!
Am Aschermittwoch hat die Fastenzeit begonnen. In diesem Jahr hat die evangelische Kirche sie unter das Motto „Luft holen! Sieben Wochen ohne Panik“ gestellt. Nicht nur auf Schokolade, Alkohol oder Nikotin sollen wir verzichten, sondern auch auf Panik.
Grund zur Panik gäbe es genug: Die weltpolitische Lage ist verfahren und auch innenpolitisch sind die Zeiten stürmischer geworden. Das Wahlergebnis zur Bundestagswahl kann uns trotz der realistischen Aussicht auf eine Koalition der Mitte nicht beruhigen, gerade uns im Schwäbischen Wald nicht. Dazu kommen die vielen kleinen und großen Alltagssorgen. Sie können uns schnell die Kehle zuschnüren. Wir bekommen regelrecht keine Luft mehr.
Der Weg aus der Panik beginnt mit dem Atmen. Atem ist Lebenskraft. Atem ist Gottes Lebenskraft in uns. So erzählt es die Bibel gleich am Anfang: Gott formt den Menschen aus Staub und Erde. Aber lebendig wird er erst, wenn Gott ihm seinen Odem einhaucht (1. Mose 2,7). Wenn wir bewusst gegen die Angst atmen, öffnen sich Wege ins Leben.
Wie kann das aussehen? Viele Menschen jammern darüber, was in unserem Land alles schief läuft. Wenn wir uns davon nicht überrollen lassen, sondern erst einmal kräftig durchatmen, dann nehmen wir wahr, was alles gut läuft, im Großen wie im Kleinen. Das ist nicht wenig. Wer durchatmet, findet zur Dankbarkeit. Viele Menschen schimpfen über die da oben, ob sie nun Ampel oder große Koalition heißen. Wenn wir uns davon nicht mitreißen lassen, sondern erst einmal kräftig durchatmen, dann fangen wir an, selbst anzupacken. Unsere Demokratie lebt vom Mitmachen. Wer durchatmet, findet zum Engagement für andere.
„Luft holen! Sieben Wochen ohne Panik“ – Ich weiß nicht, ob man sich wirklich vornehmen kann, auf Panik zu verzichten. Angst und Sorge sind hartnäckige Gegner. Was ich mir aber für die kommenden Wochen vornehmen kann, das ist: meinen Lebensatem neu zu erspüren. Möge er mich in diesen krisengeschüttelten Zeiten fest machen, besonnen, dankbar und zupackend. Kurz gesagt: lebendig!
Lassen Sie sich nicht unterkriegen! Ich wünsche Ihnen, dass Sie in der Fastenzeit zum Luftholen kommen und neu Ihre Lebendigkeit entdecken.
Pfarrer Dr. Hans Joachim Stein, Murrhardt