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Nobody is perfect

Leben ist kompliziert, fehlerhaft und widersprüchlich

„Religionen erinnern uns daran, dass das Menschsein nicht in der Perfektion liegt, sondern in der Beziehung zu der Schöpfung, zu anderen Menschen, zu Gott. Diese Beziehungen sind oft kompliziert, fehlerhaft, widersprüchlich – und gerade deshalb voller Leben.“, schreibt Ahmad Mila Karimi, Professor für islamische Philosophie und Mystik.

Welch herausfordernder Gedanke: Das komplizierte, fehlerhafte und widersprüchliche Verhalten von uns Menschen bedeutet das volle Leben. Das zu akzeptieren fällt mir schwer. Oft stöhne ich, dass das Leben so kompliziert ist. Ärgerlich reagiere ich auf meine Fehler, vorwurfsvoll auf die Fehler anderer. Warum gibt es so oft Pro und Contra? Warum kann ein Ja nicht Ja, ein Nein nicht Nein bedeuten? Doch bei weiteren Überlegungen stelle ich fest: Meine Erfahrungen zeigen, Leben ist kompliziert, fehlerhaft, widersprüchlich. Das mag so aussehen, als könne Leben nicht glücken. Dagegen sehe ich in kompliziert, dass Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft und Überzeugungen zusammenleben. Das Zusammenleben können sie als Hölle oder als Himmel gestalten.Wenn ich akzeptiere, dass wir alle Fehler machen, nicht weil wir nachlässig oder bösartig sind, sondern weil wir als Menschen nicht ohne Fehler zu machen leben können; daher bin ich eher bereit zu Nachsicht. Das Widersprüchliche im Leben macht deutlich, es gibt mehr als das, was mir gerade richtig erscheint. Es fordert mich heraus, über meinen Horizont hinaus zu denken. Wenn all das gelingt, glückt gemeinsames Leben. Die Erfahrungen geglückten Lebens zeigen auch, dass das Geglückte begrenzt ist. Weil Zusammenleben durch Hass und Hetze belastet wird. Weil eigene Fehler nicht eingestanden, Fehler anderer gnadenlos aufgespießt werden; obwohl Fehler die Chance bieten, das Falsche als nicht richtig zu erkennen. Weil Widersprüche in Terror- und Militäraktionen aufgelöst werden sollen. All die Unglücke zählen zum vollen Leben.

Nach den Überlegungen frage ich mich, warum soll ich mich für gutes Zusammenleben einsetzen. Wo kommt der Mut her, mit Fehlern verständnisvoll umzugehen? Was macht Hoffnung, dass mein Einsatz zu einem Guten führt?

Eine Antwort versucht die katholische Kirche, die dieses Jahr ein Heiliges Jahr ausgerufen hat. Das Jahr hat an Weihnachten begonnen, als der Papst als Zeichenhandlung eine Tür im Vatikan geöffnet hatte. Nach dem Jahr wird die Tür wieder für 25 Jahre geschlossen. Nach katholischem Glauben werden allen, die in dem Jahr die Tür durchschreiten, die Sünden erlassen. Denn Gott ist kein Strafender, sondern ein Lebensschenkender. Diese Zeichenhandlung mit der geöffneten Tür macht nicht nur für Gläubige deutlich: Versuchen wir einen neuen Start, trotz der komplizierten, fehlerhaften, widersprüchlichen, begrenzten Erfahrungen. Mit den Worten von Papst Franziskus: „Ich wollte, dass wir alle... die Möglichkeit haben, die Tore unseres Herzens aufzumachen und zu verstehen, dass die Hoffnung nie enttäuscht.“

Josef Klein, Kath. Kirche Backnang